Sauberkeitsentwicklung, achtsames Wickeln und Toilettengänge

Wickeln

Die Sauberkeitsentwicklung, achtsames Wickeln und die Begleitung zu selbstständigen Toilettengänge ist Teil der psychosexuellen Entwicklung. Sie steht nicht nur direkt im organischen Zusammenhang der Sexualität, sondern geht auch mit psychologischen Aspekten, wie Scham, Grenzen, Lust und Autonomie einher.

Das bewusste Festhalten und Loslassen von Kot und Urin kann schon bei Kleinkindern als etwas lustvolles empfunden werden. Es setzt die Wahrnehmung des Beckenbodens voraus – Auf dem Weg des Trockenwerdens spielt also ein gutes Körpergefühl eine wichtige Rolle.

Das sich Spüren und Wahrnehmen, um beim Spielen nicht zu vergessen auf die Toilette zu gehen ist besonders relevant, wenn Kinder beginnen, auf die Windel zu verzichten und sollte schon im Vorfeld durch allgemeine, sensomotorische Angebote, die sprachlich begleitet werden, gefördert werden.

Bevor es dazu kommt, Kinder auf dem windelfreien Weg zur Toilette zu unterstützen, gilt es jedoch das Wickeln nicht nur als einen pflegerischen, sondern auch als einen beziehungstechnischen Akt zu verstehen, der in der Kindertagesstätte durchaus ein sexualpädagogisches Bildungsangebot darstellt.

Hier geht es darum, das Kind so früh wie möglich mit in die Situation einzubeziehen.

Auch Kleinkinder können nonverbal und verbal kommunizieren, ob sie sich von einer Person bevorzugt oder überhaupt wickeln lassen wollen oder es eine Wickelposition gibt, in denen sie sich wohler fühlen als bspw.in der klassischen Liegeposition.

Sie können kognitiv in den Prozess mit eingebunden werden, indem sie die Situation altersentsprechend mit vorbereiten. Es bietet sich an, sie eine Windel aussuchen zu lassen, Kleidung, wie bspw. die Socken selbst auszuziehen oder Feuchttücher aus der Verpackung zu zupfen. Bei Wickeltischen mit Treppen können sie selbst hoch- und hinunter klettern. So lernen sie nicht nur den Ablauf kennen, sondern können fein- und grobmotorische Prozesse erproben und Fähigkeiten ausbilden.

Während des Wickelns eröffnen sich für die Kinder auch Momente der Körpererforschung, die im Alltag mit Windel erschwert werden. Sie können nun auch ihre Genitalien berühren und ansehen. Älteren Kindern kann auch ein Handspiegel dabei helfen, einen genaueren Blick auf ihre Genitalien zu werfen und ihr Körperbild damit zu vervollständigen. Besonders die Vulva ist im Gegensatz zum Penis anatomisch eben visuell schwerer zu entdecken.

Gerade wenn die Windel nur Urin enthält, können pädagogische Fachkräfte die Kinder stressfreier motivieren, ihre Genitalien einmal selbst abzuwischen.

Grundsätzlich gilt: Sprechen Sie mit dem Kind während des Wickelns nicht nur über ein mögliches Mobile, das über dem Tisch angebracht wird oder ein angeleitetes Fingerspiel.

Nutzen Sie den Bildungsauftrag für Körperwissen und Körperwahrnehmung, sowie für die Sprachentwicklung. Benennen Sie die einzelnen Schritte und Körperteile. Kinder haben ein Recht auf die Bezeichnungen ihrer Genitalien und brauchen Wörter, um zu verstehen, was mit ihnen und ihrem Körper während des Wickelns geschieht. 

(Die Vulva bezeichnet den äußeren Teil des Genitals, während die „Scheide“ die Vagina meint und sich auf den inneren Teil des Genitals bezieht. Nennen wir das gesamte Genital Scheide, beschneiden wir das äußere Organ sprachlich, da die Vulva natürlich mehr als ein „Schlitz“ ist. Besonders in Hinblick auf die Lustfunktion der Vulva wäre dies sehr bedauerlich. Natürlich dürfen auch Vulvalippen und Klitoris benannt werden. Vielen Fachkräften fehlt es jedoch an einer gewissen Sprachfähigkeit und es genügt, erst einmal mit den Grundbegriffen anzufangen. Das Gleiche gilt auch für den Penis und den Hoden, die Vorhaut, sowie die Eichel und z.B. das Penisbändchen.)

Es kann sein, dass sich das Kind für die eigenen Ausscheidungen, aber auch für die der anderen Kinder interessiert. Zeigen Sie dem Kind also gern die eigenen, vollen Windeln und holen Sie sich erst das Einverständnis eines anderen Kindes ein, sollte sich das Kind für die Ausscheidungen oder den Wickelprozess des anderen Kindes interessieren.

„Was kommt aus mir heraus? Wo kommt es heraus? – Wie sieht es bei den anderen aus?“ Dies sind alles völlig normale Fragen auf dem Weg den eigenen Körper mit seinen Funktionen zu begreifen.

Je älter das Kind wird, desto selbstständiger sollte es während des Wickelns werden. 

Oft erwarten wir einen „hard cut“. Gestern wurde das Kind noch während des Wickelns komplett „bedient“ und nun soll es auf der Toilette alles allein tun. Betrachten Sie die Sauberkeitsentwicklung wie jeden anderen Entwicklungsbereiche als Lernprozess, der in sanften Übergängen stattfinden darf. 

Um sich selbstständig die Hose aus- und hochzuziehen, bedarf es die motorische Fähigkeit, die im Vorfeld eingeübt sein sollte. Es empfiehlt sich, dem Kind besonders in der Übergangszeit lockere Hosen zur Verfügung zu stellen, um unnötigen Frust vorzubeugen.

Im Alltag erwarten wir von Kindern häufig „noch einmal schnell“ zur Toilette zu gehen.

Aufregung, Hektik und Stress können sich auf die Kontinenz, aber auch auf das Loslassen (starker Tonus im Beckenboden) auswirken. Statt Druck und Beschämung benötigen Kinder Geduld und Motivation, sollten sie vermehrt einnässen- oder koten. Vermeiden Sie Begriffe, wie „Pipiunfall“ und benennen sie die Situationen sachlich. Ermutigen sie das Kind, nachzufühlen, ob sich seine Blase oder der Darm voll anfühlen.

Manche Kinder kontrollieren ihren Beckenboden bewusst und tragen keine Windeln mehr. Sie wünschen sich jedoch noch eine Windel, um Stuhlgang zu verrichten. Auch das ist völlig normal. Der Stuhlgang, der unangenehm in die Toilette platscht, auf einmal verschwunden ist, oder die Sorgen beim längeren Sitzen selbst in die Toilette zu fallen, beunruhigt viele Kinder vor allem im Alter von 3-4 Jahren. Dies ist auch das klassische Alter des magischen Denkens und möglicherweise stellt das Kind hierzu auch magische Überlegungen an (z.B.: ein Troll sitzt in der Toilette) und ist dadurch verängstigt.

Gewähren Sie dem Kind Selbstbestimmung und Zeit, es wird sehr wahrscheinlich selbst zur Toilette wechseln, wenn es sich bereit fühlt.

In vielen Kitas ist es die Regel, dass Mitarbeiter*innen den Kindern bis zum Schluss den Po abwischen. Stattdessen sollten die Kinder unterstützt werden, sich selbst immer erfolgreicher sauber zu machen. Vor allem zum Ende der Kindergartenzeit setzt ein ernstzunehmender Genitalscham ein und die Kinder beginnen, sich ihrer Intim- und Privatsphäre bewusst zu werden. Gleichzeitig kann es sein, dass sie mit anderen Kindern gemeinsam auf Toilette gehen, da sie neugierig aufeinander sind und die Gemeinschaft genießen. Sollten die Kinder etwa im gleichen Alter sein, in der Lage sein, gegenseitige Grenzen zu akzeptieren, ist dies völlig in Ordnung und ebenfalls Teil ihrer psychosexuellen Entwicklung.

Als pädagogische Fachkraft können Sie gemeinsam mit den Eltern einen Einfluss auf eine gesunde, psychosexuelle Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen. Indem sie eine offene, natürliche Kommunikationskultur gestalten und Räume für Selbstbestimmung wahren, tragen Sie zu einer natürlichen Körperwahrnehmung bei.